Artenspürhunde – ein anspruchsvoller Hundejob


Fischotter, Fledermäuse, Schildkröten: Hunde werden immer öfter für die Suche nach Wildtieren und ihren Spuren eingesetzt. Die Artenspürhunde Schweiz sind echte Schnüffelprofis und liefern der Wissenschaft wichtige Daten. Mit den Hunden können seltene Tierarten untersucht werden.
Vier Pfoten über Stock und Stein im Einsatz für den Naturschutz.

 

In Outdoorkleidern und mit Fernrohren auf der Schulter gehen einige Naturbegeisterte dem Ufer entlang und zeigen in die Ferne, wenn sie einen seltenen Vogel erspäht haben. Ein warmer Samstagmorgen am Klingnauer Stausee, einem Naturparadies an der Aare, kurz bevor der Fluss in den Rhein mündet. Nur ein Willkommensstand beim Besucherzentrum erinnert an den vom Naturmuseum Naturama organisierten «Tag der Artenvielfalt», der an diesem Wochenende stattfindet. Alle anderen Stände sind wegen der Corona-Pandemie so weitläufig in der Umgebung verteilt, dass man sie gar nicht mehr sehen kann. Auf dem Vorplatz des modernen Besucherzentrums besammelt sich eine Gruppe und in der Mitte liegt ein Hund am Boden: Das müssen die Artenspürhunde sein!

Ein guter Riecher für die Wissenschaft

Denise Karp und Marie-Sarah Beuchat von Artenspürhunde Schweiz wollen den Exkursionseilnehmerinnen und -teilnehmern zeigen, was ein Spürhund im Naturschutz leisten kann. Denise Karp ist Biologin und hat vor einigen Jahren die natürliche Wiederbesiedlung von Fischottern mit anderen Forschern besprochen. «Es war immer wieder die Rede davon, dass man halt nicht wisse, wo genau der Fischotter schon die Gewässer besiedelt hat und wo nicht», erinnert sie sich. Da sie bereits durch ihre Doktorarbeit mit Artenspürhunden vertraut war, war sie zuversichtlich, dass Hunde eine gute Methode sein müssten, um mehr über die Fischotter herauszufinden. Sie schlägt damals Irene Weinberger von «Pro Lutra» ihre Idee vor und die beiden Frauen stellen daraufhin zwei Vergleichsstudien auf die Beine. Das soll der Startschuss für viele weitere Projekte werden.

Denise Karp mit Spürhund Django
Line Up Suche Marie Sarah Beuchat

Links: Denise Karp mit Toller-Rüde Django. Rechts: Marie-Sarah Beuchat mit Golden-Retriever-Hündin Dublin

Die Suche nach Fischotterspuren durch Menschen unterscheidet sich deutlich von der Suche mit Hunden. «Meist achten Menschen auf bestimmte Muster, beispielsweise erhöhte Stellen, wo der Fischotter oft seinen Kot platziert.», erklärt Denise Karp. Hunde dagegen würden ohne dieses Vorwissen losziehen. So können sie auch gut versteckte Kotspuren erschnüffeln. Immer wieder kommt es vor, dass dadurch ganz unerwartet neue Dinge über eine Tierart herausgefunden werden. Denise Karp hat ihren Plan also in die Tat umgesetzt und gleich ihren ersten Hund für die Fischotter-Spurensuche trainiert. Mit Erfolg: Heute leistet sie gemeinsam mit der Mitbegründerin von Artenspürhunde Schweiz, Jelena Mausbach, und der Spürhundeführerin Marie-Sarah Beuchat sogar mehrwöchige Monitoringeinsätze  im In- und Ausland. Selbst gegen absolute Fischotter-Expertinnen können die Hunde antreten – die Spürnasen finden in kürzerer Zeit eine grössere Zahl von Fischotterspuren.

Fischottersuche am Ufer des Stausees

Marie-Sarah Beuchat nimmt ein kleines Röhrchen hervor und schüttelt – unbemerkt von Spürhund Django – etwas Fischotterkot auf den Boden in der Nähe des Ufers. Der Toller-Rüde Django fiept nun aufgeregt: endlich hat Denise Karp seine Schwimmweste ausgepackt und ihn zu sich gerufen. Für Django ist dies das eindeutige Startritual. Die Suche geht los! 

Das Logo der Artenspürhunde ist feinsäuberlich auf die Schwimmweste genäht. Bei Django scheint es fast, er sei stolz wie ein Pfadfinder, es tragen zu dürfen und er nimmt seinen Einsatz vor Publikum eindeutig sehr ernst.

Vorbereitung Suche Django

Das Anziehen des Suchgeschirrs ist ein Startritual für Django.

Er schnüffelt intensiv am Ufer des Stausees und nach nicht einmal einer Minute verharrt seine Nase am Boden. Auch der zuvor wild wuselnde Körper ist nun reglos, nur der Brustkorb hebt und senkt sich mit jedem Atemzug. Wie eine lebende Statue bleibt er stehen und wartet, bis Denise Karp seinen Fund kontrolliert hat. Tatsächlich zeigt er ganz genau die Stelle an, wo etwas Fischotterkot liegt, farblich kaum zu unterscheiden vom Untergrund. Denise Karp fischt Djangos gelben Ball aus ihrer Umhängetasche und wirft ihn punktgenau neben dem Hund zu Boden. Django schnappt sich sein Spielzeug aus der Luft und galoppiert mit seiner Trophäe in grossem Bogen um die Zuschauerinnen. Diese sind begeistert von der Sucharbeit und schauen Django vergnügt dabei zu, wie er ausgelassen spielt.

Spürhund Django mit Ball

Nachdem Django seinen Ball allen Zuschauerinnen präsentiert hat, ist er wieder ganz fokussiert auf Denise Karp.

«Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig bei den Artenspürhunden» erklärt Denise Karp, «darum sind in dieser Sparte jene Hunde besonders wertvoll, die Menschen gegenüber freundlich gestimmt sind. Zudem sollten Artenspürhunde nicht zu stark jagdlich motiviert sein, denn sie sollen ihre Arbeit nicht für ein fliehendes Reh unterbrechen. «Suchteams inmitten der Natur können Wildtiere schon allein durch unsere Präsenz stören, das muss man sich stets bewusst sein», sagt Denise Karp. Eine effiziente und professionelle Arbeit mit den Hunden sei aus Rücksicht auf die Wildtiere darum zentral.

Dublin im Wasser

Ein Artenspürhund ist neugierig, aber kein passionierter Jäger.

Einsätze brauchen ein feines Gespür

Denise Karp betont, wie wichtig es ist, dass die Spürhundeteams die Zielart verstehen: «Wir müssen das gesuchte Tier und seine Spuren genau kennen, damit wir an den richtigen Stellen nach ihnen suchen und wissen, was der Hund gerade anzeigt.» Das sei gar nicht immer einfach, wie die Expertinnen auf dem Parkplatz beweisen, wo ihre Hunde in den Autoboxen eine kurze Pause machen dürfen. Eine Forscherin habe ihnen eine Kotprobe geschickt, möglicherweise Fischotterkot. Von Auge könne man es nicht mit Sicherheit sagen, darum sollen die Hunde zum Einsatz kommen.

Mit Spürhunden ist eine exakte Arbeit wichtig

Eine Fischotter-Kotprobe wird sorgsam für die Suche mit dem Hund vorbereitet.

Eine Exkursionsteilnehmerin platziert die Kotprobe auf dem Parkplatz und legt auf Denise Karps Anweisung auch noch Erde daneben, damit der Hund wirklich mit der Nase unterscheiden muss. Die Hunde könnten sonst lernen, alle auffälligen Häufchen als vermeintliche Kotproben anzuzeigen. Nachdem die Golden-Retriever-Hündin Dublin von Marie-Sarah Beuchat weder auf die Kotprobe noch auf die Erde eine Reaktion zeigt, kommt Django zum Einsatz.

Er legt sich bei der Kotprobe hin, beim zweiten Heranführen an die Probe geht er unbeirrt daran vorbei. «Wir hatten noch nie eine so weisse, durchsichtige und staubige Probe, darum war das ungewohnt und klappte bei beiden Hunden nicht so wie sonst», sagt Denise Karp, «Django hat die Probe beim Ausatmen weggeblasen und konnte sie beim zweiten Durchgang nicht mehr erkennen.». Sie werde den Test am nächsten Tag nochmals in aller Ruhe und für den Hund in gewohnter Weise durchführen, wenn Django ausgeruht sei.

Line Up Fischotterkot mit Spürhund Django

Django schnüffelt den gelben Streifen genau ab, auf dem Proben platziert sind.

Welche Hunde eignen sich als Artenspürhunde?

Das Interesse für die Spürhundearbeit nimmt zu, denn über die Nase kann der Hund sinnvoll ausgelastet werden. «Zu unserer Aufgabe gehört aber weit mehr als das Training mit den Hunden», meint Denise Karp, «wer sich als Artenspürhundeteam bewirbt, muss ein anspruchsvolles Auswahlverfahren bestehen». Ein Hund müsse selbstverständlich gesund sein und genügend fit. Je nach zu suchender Tierart schwimmen die Spürhunde im kalten Wasser, balancieren über rutschige Steine und stehen an Bäumen hoch.

Dublin bei Fischottersuche in Ufergebiet

Auch vor unwegsamem Gelände dürfen Artenspürhunde nicht zurückschrecken.

In jeder möglichen Umgebung sollen sich Artenspürhunde wohl und sicher fühlen, damit sie sich ganz auf die Suche konzentrieren können. Das brauche jahrelanges Training, viel Ausdauer und Kreativität für immer wieder neue Suchaufgaben. «Vielleicht weniger offensichtlich bei unserer Arbeit ist die Kooperationen mit Fachleuten aus der Forschung und die Organisation der Sucheinsätze mit Behörden», sagt sie, «das nimmt viel Zeit in Anspruch, ist aber ein ausschlaggebender Teil der professionellen Spürhundearbeit»

Eigenschaften eines Artenspürhundes

  • Leistungsfähig und fit: nur gesunde Hunde mit Freude an Bewegung dürfen an professionellen Einsätzen teilnehmen.
  • Selbstständig: Auch wenn der Mensch ausser Sicht ist, sollen die Hunde ihrer Arbeit fokussiert nachgehen.
  • Ruhig und gelassen: Sucharbeit bedeutet oft auch Warten: Wenn der Mensch die Karte des Suchgebietes anschaut und einteilt, Protokolle ausfüllt, oder wenn die gefundenen Tierspuren überprüft und eingepackt werden.
  • Kooperativ mit dem Menschen: Hunde müssen Freude daran haben, mit dem Menschen zusammenzuarbeiten.
  • Alles ist (auch) eine Frage des Trainings!
Marie Sarah Beuchat und Spürhund Dublin bei der Suche

Spürhunde können für die Wissenschaft eingesetzt werden. Ein langes und ausdauerndes Training ist unabdingbar.

Auch ohne Ausrichtung auf eine bestimmte Tierart kann man seinen Hund auf Sucheinsätze vorbereiten. Denise Karps jüngerer Toller-Rüde Kjell übt momentan mit Kongstücken, die sie beispielsweise im Boden vergräbt. Kjell wird später Schildkröten-Nester suchen, wo die Schildkröten-Eier in den Boden gelegt und zugescharrt werden. Das rote Kong-Spielzeug sei überall auf der Welt erhältlich und werde darum von vielen Spürhundeteams als Trainingsgeruch benutzt, erklärt Denise Karp.

Spürhund Kjell mit Kong

Denise Karps Hund Kjell übt mit dem Kong als Trainingsgeruch seine Spürhundeaufgaben.

Unermüdlich im Einsatz für die Artenvielfalt

Nach der offiziellen Veranstaltung am Tag der Artenvielfalt fahren Denise und Marie-Sarah mit ihren Hunden in den Autos ein kleines Stück flussaufwärts. Im Naturschutzgebiet «Fischergrien» suchen sie nach Spuren des Fischotters. Die beiden Frauen betrachten gemeinsam die Landkarte des Gebiets und teilen das Suchgebiet untereinander auf. Kurz darauf sind ihre Hunde bereits wieder im Einsatz. Systematisch gehen sie mit ihnen dem Ufer der Teiche und Bäche entlang und schicken die Hunde auch mal voraus ans Ufer, wenn es für den Menschen zu steil oder rutschig ist, um selbst hinabzusteigen.

Die Hündin Dublin trägt ein Glöckchen an ihrem Suchgeschirr, damit Marie-Sarah Beuchat jeweils hören kann, wo die Hündin unterwegs ist. Die Frauen erwarten hier zwar keine Fischotter, trotzdem müssen sie genauso vorgehen, als wären sie tatsächlich in Fischottergebiet. «Es wäre eine Sensation, wenn wir hier tatsächlich Fischotterspuren finden würden», meint Denise Karp lachend.

 

Spürhund Dublin auf Fischottersuche

Bei der Fischottersuche ist Marie-Sarah Beuchat auch bei Sommertemperaturen mit Gummistiefeln unterwegs.

Fischotter hätten sich bisher nur im Kanton Graubünden und Bern angesiedelt. Die Hunde seien sich allerdings gewohnt, auch längere Zeit ohne Erfolg unterwegs zu sein. «Django und Dublin als erfahrene Spürhunde können bis zu zwei Stunden konzentriert nach Fischottern suchen», sagt Denise Karp, «Kjell fehlt diese Routine noch. Momentan kann er während drei Minuten wirklich fokussiert und selbstständig suchen». Sie übe kleinschrittig daran, damit auch Kjell eines Tages in Djangos Fussstapfen treten kann. Nach der Veranstaltung am Tag der Artenvielfalt mit vielen Exkursionsteilnehmern sind die Hunde im Naturschutzgebiet noch rund zwei Stunden im Einsatz, begleitet von einer Handvoll Spürhundefans.

Als wir uns verabschieden, machen sich die beiden Frauen auf zum Aareufer, wo die Hunde nochmals die Uferflächen absuchen werden. Noch ein paar hundert Meter am Flussufer liegen vor ihnen. Die Hunde sind fit, das merkt man ihnen an. Und auch Denise Karp und Marie-Sarah Beuchat brennen für ihre Aufgabe und stören sich nicht im Geringsten daran, bei 25 Grad und Sonnenschein in Gummistiefeln unterwegs zu sein.

Spürhünding Dublin schaut ins Gebüsch

Spürhunde wie Dublin bringen eine enorme Neugier und Bewegungsfreude mit. (Bilder: Eigene Aufnahmen)

Mehr über die Einsätze der Artenspürhunde Schweiz findest du hier:
www.artenspuerhunde.ch

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